Freitag, 31. Dezember 2010

Wissen als Basis der selbstorganisierenden Gesellschaft

Lieber Willy,

vielen Dank für Deine zukunftspost und Deine lieben Weihnachtswünsche. Leider habe ich es vor Weihnachten nicht geschafft, Dir zu antworten. Aber immerhin bin ich rechtzeitig dran, Dir und Deiner Familie ein erfolgreiches und vor allem gesundes Neues Jahr 2011 zu wünschen.
Es scheint, dass unsere zukunftspost jeweils nach einem Jahr in einen neuen Abschnitt eintritt, so auch mit diesem Jahreswechsel. Ich habe die Muße der Weihnachtszeit genutzt, unseren Austausch noch einmal kritisch zu lesen und bin dabei zur Erkenntnis gekommen, dass wir im Jahr 2010 weitgehende Übereinstimmung über die Basis einer nachhaltigen, selbstorganisierenden Gesellschaft gelegt haben. Ganz kurz möchte ich daher die wichtigsten Ecksteine einer solchen Gesellschaft zusammenfassen:
• Die Ausrichtung von Wirtschaft und Produktion am natürlichen Einkommen: Die eingestrahlte Sonnenenergie und die durch diese in Gang gehaltenen natürlichen Stoffkreisläufe und Energieflüsse stellen den festen Rahmen der wirtschaftlichen Aktivitäten der Gesellschaft und der menschlichen Produktion von Gütern und Bereitstellung von Dienstleistungen dar. Aus diesem Aspekt folgt, dass sich ein zukünftiges Sozialsystem an der gerechten Verteilung dieses natürlichen Einkommens (und dem fairen Zugang zu nicht-erneuerbaren Ressourcen als Mittel zur Nutzung dieses Einkommens) orientieren muss. Ebenso muss sich ein zukünftiges Währungssystem am natürlichen Einkommen orientieren und daran gebunden werden. Wir kommen also vom einstmaligen feudalen Goldstandard über den ungebremsten Idiotenstandard des ungezügelt wachsenden Spekulationskapitals zum nachhaltigen Solarstandard. Wie der genau aussehen kann, das ist eine der vielen Diskussionspunkte, die wir uns noch aufbehalten, damit uns auch in den nächsten Jahren nicht langweilig wird!
• Die Organisation der Gesellschaft in funktionalen, raumgebundenen und nicht hierarchischen regionalen Einheiten: Die Ausrichtung der Wirtschaft am natürlichen Einkommen macht eine adäquate politische Struktur notwendig. Das Leitkapital einer nachhaltigen Gesellschaft ist die Fläche und ihre natürliche Ausstattung (von Bodenfruchtbarkeit hin bis zur biologischen Vielfalt), da nur über Fläche das natürliche Einkommen der Sonneneinstrahlung genutzt werden kann. Die Verwaltung dieses Kapitals, aber auch jener lebenserhaltenden natürlichen Prozesse wie des Wasserkreislaufs, ist daher an funktionale räumliche Einheiten gebunden, die daher auch zu den entscheidenden Einheiten des politischen Handelns werden. Ebenso sind (bei aller möglichen individuellen Mobilität) gesellschaftliche und kulturelle Grundvorgänge wie Wohnen, die physische Grundversorgung aber auch viele Bildungs- und Kulturaktivitätenräumlich gebunden. Wir kommen daher von den feudalen Grundherrschaften über die Verrücktheit der ethnischen Nationalstaaten zu natur- und soziofunktionalen politischen Einheiten, die sich durchaus räumlich überlappen und durchsetzen. Das ist jetzt nicht unbedingt ein Plädoyer für chauvinistische Kleinstfürstentümer. Auch die Europäische Union kann eine solche funktionale Einheit sein. Was wichtig ist, ist dass diese Einheiten IHRE Funktionen regeln (und nicht ALLE Funktionen innerhalb ihres Territoriums) und mit den anderen regionalen Einheiten in einem gleichberechtigten politischen Diskurs über quer schneidende Problemstellungen eintreten. Es gibt daher keine „Hegemonie des Größeren“, sondern funktionale (und schlanke) Verwaltungen, die in Diskursform Zukunft machen. Erneut haben wir hier einen sehr interessanten Ansatzpunkt für zukünftige Diskussionsrunden in unserer zukunftspost, die das Zusammenwirken dieser Einheiten weiter aufhellen sollen.
• Basisdemokratische Entscheidungsmechanismen auf der Basis der aktiven Partizipation und der Vertrauensmaximierung: Solche funktionalen Einheiten können nicht mehr durch herkömmliche repräsentative (Partei-) Demokratien gelenkt werden. Vielmehr müssen jene Akteure, die durch diese Funktionen direkt betroffen sind (und die diese Funktionen direkt beeinflussen) in offenen und transparenten Entscheidungsvorgängen die Zukunft gestalten. In solchen Entscheidungsprozessen wird das Recht der Mitentscheidung durch aktive Teilhabe am Entscheidungsvorgang erworben, die Legitimation der Entscheidungen muss durch Vertrauen in die handelnden Akteure und durch die Konformität mit allgemeinen Regeln (einer „Europäischen Verfassung“??? Europa als „Funktionale regionale Einheit der Rechtstaatlichkeit“???) erarbeitet werden. Auch hier öffnet sich uns natürlich ein besonders breites Feld der Diskussion in den nächsten Monaten und Jahren, auf das ich mich schon ganz besonders freue!
• Die Finanzierung gesellschaftlicher Aktivitäten durch eine „natürliche Einkommenssteuer“ und die Einführung einer Grundsicherung als Menschenrecht: Logisch aus der Orientierung am natürlichen Einkommen ableitbar ist die Steuerbasis einer zukünftigen selbstorganisierenden Gesellschaft: Die Basisressourcen Grund und Boden sowie nicht erneuerbare Rohstoffe. Grundsätzlich soll ein Steuersystem ja dazu beitragen, den effizienten Umgang mit der beschränkenden Ressource der gesellschaftlichen Entwicklung zu fördern. Dies ist nach unserer gemeinsamen Auffassung Grund und Boden als Haupttransformator des natürlichen Einkommens in gesellschaftlich nutzbare Dienstleistungen. Daher ist es logisch, diese Ressource als Basis des Steuersystems zu nehmen. Zusätzlich dazu muss auch noch die in Anspruchnahme nicht erneuerbarer Ressourcen so effizient als möglich gestaltet werden und zukünftigen Generationen über eine entsprechende Steuer „abgekauft“ werden. Die genaue Ausgestaltung eines fairen Steuersystems wird uns natürlich auch noch weiterhin in der zukunftpost beschäftigen, ebenso wie die Verwaltung dieser Einkünfte und den Austausch zwischen den einzelnen funktionalen politischen Einheiten. Du hast ja hier bereits einen sehr interessanten Vorschlag gemacht, nämlich dass hier der Steuerfluss „auf den Kopf“ gestellt wird: Die kleinsten Einheiten zur Verwaltung des natürlichen Einkommens heben die Steuer ein und geben jeweils Anteile an die anderen Einheiten (also auch an die “höheren“) ab.
Aus dieser Steuerbasis geht auch logisch die Forderung nach einer Grundsicherung für alle hervor. Wird das natürliche Einkommen als Basis genommen, so hat natürlich jeder Mensch ein „natürliches“ Anrecht auf seinen Anteil daran. Das natürliche Einkommen „gehört“ ja niemandem, es ist ein Gottesgeschenk, ebenso wie das Leben und die persönliche Freiheit. Damit ist es klar, dass diejenigen, die derzeit das Kapital zur Nutzung des natürlichen Einkommens „besitzen“ (und nicht „im Eigentum haben“!) dem eigentlichen Eigentümer (= der menschlichen Gesellschaft in ihrer Gesamtheit) die Nutzung des Kapitals ablösen. Dieser Teil der Grundsteuer muss daher an alle Bürgerinnen und Bürger in Form einer Grundsicherung zurückfließen. Wir haben schon erörtert, dass dies nicht nur eine logische Folge aus der Orientierung am natürlichen Einkommen ist, sondern auch eine Grundvoraussetzung dafür, dass wir vom kanzerogenen Wachstumswahn der derzeitigen Wirtschaft abkommen können. Auch hier gibt es natürlich breites Diskussionsfeld, das uns für die zukunftspost zur Verfügung steht.
Diese Kurzzusammenfassung der Diskussion des Jahres 2010 soll uns helfen, in eine detaillierte Diskussion über einzelne Felder im nächsten Jahr einzutreten. Ich überlasse diesmal Dir den Aufschlag, welches Feld Dir am meisten am Herzen brennt.

Für heute möchte ich nur noch eine „Querschnittsmaterie“ (eigentlich hasse ich dieses Wort) ansprechen, nämlich Bildung für eine selbstorganisierende Gesellschaft. Dieses Thema ist aus mehreren Gründen wichtig. Einerseits ist natürlich Bildung die Basis jeder gesellschaftlichen Entwicklung (auch wenn das unsere Politiker nicht immer so sehen). Andererseits ist Bildung und die Organisation von Wissen bereits heute untrennbar mit einem anderen selbstorganisierenden Phänomen, dem Internet, verbunden. Ich glaube, dass wir überhaupt sehr viel über gesellschaftliche Selbstorganisation lernen können, wenn wir uns die Organisation, die Entscheidungsprozesse, aber auch die Wirtschaft des Internet näher ansehen. Ich glaube weiters, dass das Internet eine ganz wesentliche Funktionalität in der Entstehung und dem „Betrieb“ einer selbstorganisierenden nachhaltigen Gesellschaft ausüben wird. Das möchte ich in einer späteren zukunftspost, wenn es um die politische Gestaltung der Gesellschaft geht, noch einmal aufgreifen.
Nun aber zur Bildung, die mir natürlich als Hochschullehrer sehr am Herzen liegt. Erwarte aber bitte keine Generallösung für die PISA-Schwäche Österreichs oder die Uni-Misere in unseren Ländern. Ich will auch gar nicht auf die AUS-Bildung für bestimmte Berufe eingehen, schon deshalb nicht, weil ich einfach nicht weiß, wie die Berufe der Zukunft aussehen werden. Ich will vielmehr einige Grundlinien ziehen, von denen wir vielleicht eine weiterführende Bildungsdiskussion aufbauen können, wenn Dir das ebenso am Herzen liegt wie mir.
Zuerst einmal möchte ich darstellen, worum es mir geht: Für mich ist Bildung der Erwerb und die Pflege jener Fähigkeiten, die es einem Menschen möglich machen, an der gesellschaftlichen Selbstorganisation teilzuhaben.
Eine selbstorganisierende Gesellschaft ist aber auch eine sich immer verändernde Gesellschaft, die auch ihre Teilhabebedingungen verändert. Damit ist Bildung ein dauernder, kontinuierlicher Prozess gesellschaftlicher Prozess. Hier kommen wir in eine interessante Zirkeldefinition: Bildung ist nicht nur ein Vorgang, der zur Teilhabe an der gesellschaftlichen Selbstorganisation ermächtigt, sondern, da Bildung selbst ein Teil dieser Selbstorganisation ist, ein Vorgang, der auch zur Teilhabe an sich selbst ertüchtigt. Wir brauchen also „Bildung für Bildung“!
Grundsätzlich glaube ich, dass wir vier unterschiedliche aber unverzichtbare Elemente in jeder Bildung haben. Einerseits geht es um Kulturtechniken, also jene Fähigkeiten, die notwendig sind um am Bildungsprozess selbst teilzuhaben. Lesen und schreiben (in der Muttersprache, aber auch der Sprache des Lebensumfeldes) sowie rechnen sind die konventionellen Kulturtechniken, die nun durch die Nutzung von Internet und weiteren elektronischen Informationstechniken (Mobiltelefon, etc.) zu ergänzen sind. Altmodisch wie ich bin glaube ich, dass man diese Techniken nur „erlernen“ kann, und dass das so früh als möglich erfolgen sollte. Unsere Grundschulen sollten daher diesen Kulturtechniken vorbehalten bleiben und von allem anderen Zinnober befreit werden. Wenn die Kinder mit zehn Jahren Lesen und auch schreiben können und die Grundrechnungsarten beherrschen, aber auch mit Mobiltelefon und Internet zumindest angefreundet sind, wäre das toll!
Ein zweites Element sind für mich Analysetechniken, also die Vermittlung von Denkstrukturen zur Einordnung der Prozesse in der Realität. Hier geht es nicht um „Wissen“ sondern um Konzepte wie Bilanzen (gut zu brauchen im Wirtschaftleben, ebenso wie in der Naturwissenschaft), statistische Grundlagen aber auch wesentliche Grundkonzepte der Sozial-, Wirtschafts- und Politikprozesse. Ganz besonders wichtig ist hier das Konzept der Sprache, da sollte die Bildung dazu anleiten, wie man sich Sprachen aneignen kann. Denkstrukturen sind sicherlich ein gutes Feld für lebenslanges Lernen, aber ich würde hier gerade in der Zeit zwischen zehn und fünfzehn Jahren einen Schwerpunkt setzen, wobei hier sehr viel praktische Übung als Vermittlungsprinzip eingesetzt werden soll.
Ein drittes Element ist Einordnungswissen. Hier geht es um Konzepte der Bewertung, der Systematisierung. Das beginnt bei philosophischer Bildung (inklusive der Logik), geht über ethische Bildung bis zur Bewertung von Information, von sozialer Transparenz und Vertrauen. Auch das ist natürlich ein lebenslanger Auftrag, aber besonders im Alter von fünfzehn Jahren aufwärts wichtig.
Ein viertes, zeitlich durchlaufendes Element ist die Herausforderung der Kreativität und Selbstverantwortung. Dieses Element sollte von „cradle to grave“ ein Hauptelement der Bildung sein, wobei dies nicht nur im künstlerischen und kulturellen Bereich angesiedelt sein soll. Es geht auch darum, gesellschaftlich und wirtschaftlich kreativ zu sein und Menschen dazu zu ertüchtigen.
Für heute will ich es bei der Beschreibung dieser grundlegenden Elemente belassen und hoffe auf einen „gut geschnittenen“ Ball von Dir, damit wir diese wichtige Diskussion weiter vertiefen können.

Lieber Willy, noch mal ein gesundes und erfolgreiches Neues Jahr Dir und Deiner Familie

Dein Michael

Sonntag, 28. November 2010

Neue Steuern - neue Demokratie

Dienstag, 20. November 2010

Lieber Michael,
Deine Anregungen in der letzten Zukunftspost waren für mich sehr überzeugend bzw. zwingend. Ich habe mir die Pause zwischen unseren Zukunftspostaktivitäten genommen um festzustellen wie es eventuell mit Alternativen zu den bereits in unserem Schriftwechsel erarbeiteten Zukunftsansätzen aussieht.
Wie es scheint habe ich mir noch zu wenig Gedanken gemacht über die Unterschiede zwischen Eigentum und Besitz. Wenn ich an das Zitat aus Goethes Faust denke „Was du ererbt von deinen Vätern – erwirb es um es zu besitzen“, würde dies bedeuten, dass erst das nachhaltige Bewirtschaften einer Landfläche den Besitz rechtfertigt. Ein nicht bewirtschaften des Eigentums würde demnach durch die Besteuerung zu einem relativ raschen Verlust des Eigentums führen. Eine nicht nachhaltige Nutzung könnte den Bodenwert zwar über die Zeit herabsetzen aber damit den leicht proportional zu besteuernden aktuellen Bodenwert zusätzlich weiter um einen Schädigungsbetrag steigern.
Vielleicht sollten wir uns kurz der auf die Bewirtschaftung reduzierten Ressourcen und deren Besteuerung zuwenden. Der Ansatz einer jährlichen Besteuerung des aktuellen Bodenwertes wäre gegeben durch die aktuelle Fläche * Lagebeiwert * Größenbeiwert * Energiebeiwert * Nutzungsbeiwert = Realisationswert – Bodenwertfreibetrag (als Teil der Besteuerung und damit auch der sozialen Grundfinanzierung). Die angedachten Beiwerte wären für die zu besteuernden Flächen in demokratischer Weise seitens der Gesellschaft zu bestimmen und von den obersten Gerichten regelmäßig zu überprüfen und dynamisch d. h. für überschaubare Perioden festzusetzen. Die aktuellen Nutzungen und Veränderungen könnten flächenscharf von dem für ein dynamisches Monitoring eingerichteten Satelliten- und Sonden-System erhoben werden.
Man würde dabei von der kontrollintensiven, individuellen Besteuerung von Arbeit und Leistung zu einem Ressourcenbesteuerungssystem übergehen, das objektiv kontrolliert werden kann. Die Steuern würden von den Kommunen über die Regionen an den Bund und Europa abgeführt. Die Kompetenzen könnten weitgehend bei den Kommunen liegen, die Bürger würden wieder verortet auftreten und die heute für unvermeidbar gehaltene notwendig gehaltene Mobilität von Waren und Personen könnte damit vielleicht auf ein menschliches Maß zurückgeführt werden.
„Schwarzarbeit“ würde als Kategorie nach Einführung zweier sozialer Instrumente wie einer Grundrente mit Krankenvorsorge (von der Wiege bis zur Bahre) sowie eines temporär verpachtbaren Bodenwertfreibetrags für viele Berufe wegfallen. Dies könnte einerseits die Verwaltungskosten und Kosten für Kontrollen weitgehend überflüssig machen sowie die Pensionsversicherungen, durch die Grundrente ersetzen. Ferner könnten durch den verpachtbaren Bodenwertfreibetrag der grundbesitzlosen Bürger Abhängigkeiten zwischen besteuerbaren Grundbesitzern und grundbesitzlosen Bürgern hergestellt werden, die für Großgrundbesitzer mit hoher Steuerprogression zu einer Minderung der individuellen Steuerlast führen könnten.
Soweit meine einfachen Überlegungen zu einer zukünftigen zellular strukturierten Gesellschaft als Basis für eine notwendige Evolution der verorteten sozialen Kompetenzen und einer Basisdemokratie. Die Basisdemokratie wird heute fast vollständig ausgehebelt durch eine Redundanz in unseren Steuerungsstrukturen und Wahlen bzw. Parlamenten auf teilweise 5 Ebenen. Das Resultat ist eine nicht mehr kohärente Struktur mit geringer Verantwortlichkeit dem einzelnen gegenüber und weitgehend aufbauend auf dem Machtmonopol der einzelnen Staaten. Die Eingebundenheit der Individuen in Familienstrukturen ist weitestgehend durch Vereinzelung verloren gegangen. Die einfache Verwaltbarkeit wurde als wichtigstes Merkmal für die Gesellschaftsmitglieder angestrebt und durch Verwaltungsroutinen für Kinder und Jugendliche, für die Arbeitenden, und die Rentner verwirklicht.
Das stetig expansive Währungssystem zusammen mit den ständig wachsenden sozialen Kosten führt zu einem unvermeidlichen Zusammenbruch dieser Systeme. Der renommierte Wiener Wirtschaftsprofessor Franz Hörmann kritisiert die Wirtschaftswissenschaften als unwissenschaftliche politische Propaganda, hält das aktuelle System für gescheitert und erwartet bereits für 2011 einen fundamentalen Systemwechsel.

Als möglicher Ausweg wird von Hörmann das Schicksal Russlands mit dem Zerfall in Einzelstaaten und lokalen Währungen gesehen. Die schwindende Effizienz unserer zu rasch gewachsenen Gesellschaftsstrukturen müsste durch wesentlich kürzere internalisierte Stoff- und monetäre Kreisläufe mit der Deckung der Währungen durch den Bodenwert wiederhergestellt werden. Es müsste zu denken geben wenn einzelne Staatsgebilde als ökonomische Zielsetzung die Weltmeisterschaft im Export zu erreichen suchen und dadurch materielle Ungleichgewichtszustände die letztlich immer zu Konflikten und Kriegen führten
in Kauf nehmen.

Die Grundidee eines friedlichen Systemwechsels müsste im Wechsel einer objektorientierten Welt in eine beziehungsorientierte Welt sein wo die Lebensqualität an der zwischenmenschlichen Kommunikation (die ja das wesentliche Merkmal einer menschlichen Gesellschaft darstellt) gemessen wird und der materielle Wohlstand nicht mehr an industrieller Innovation sondern an der Fähigkeit internalisiert in einer zellulär geprägten verorteten Gesellschaft Stoff- und Produktrecycling im Rahmen der natürlichen Energieressourcen zu perfektionieren.

Soweit meine Überlegungen für dieses Mal. Sie sollten auch gleichzeitig einen Zusammenhang zum rasch herannahenden Advent darstellen und uns die Evolution der Natur als ressourcenökonomischen Optimierungsprozess wo nur mehr temporärer Besitz und kein Eigentum mehr existiert erkennen lassen. Mit besten Wünschen für das nahende Weihnachtsfest, Dir und Deiner lieben Familie
Willy

Sonntag, 6. Juni 2010

Das Ende des Wachstums – Das Ende des Eigentums

Lieber Willy,

vielen Dank für Deine letzte Zukunftspost, die wie immer den Punkt meiner Ausführungen über Demokratie und Selbstorganisation gründlich vertieft hat. Vor allem bin ich Dir dankbar, dass Du mich mit dem Dir eigenen Scharfblick auf die entscheidende Stelle im Zusammenleben jeder Gesellschaft hingeführt hast. Es geht hier um die Gretchenfrage: Wie hältst Du’s mit dem Eigentum?
Du hast natürlich vollkommen recht. Bevor wir nicht diesen Grundbegriff geklärt haben, brauchen wir uns mit den Feinheiten der politischen Struktur einer nachhaltigen Gesellschaft gar nicht auseinander zu setzen. Daher habe ich auch gleich eine provokante These als Aufschlag für die weitere Diskussion: Wenn eine nachhaltige Gesellschaft ohne (nennenswertes) materielles Wachstum auskommen muss, dann ist das gleichzeitig auch das Ende des individuellen Eigentums.
Das klingt radikal und es ist es auch. Aber keine Angst, ich will hier nicht alte marxistische Träumereien aufwärmen und alles kollektivieren. Das hat nicht funktioniert und wird auch nicht funktionieren. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass wir es mit einer viel zu komplexen Wirklichkeit zu tun haben, die sich (wie wir ja schon festgehalten haben) jeder Planung und jeder hierarchischen Führung/Regierung entzieht, in der wir nur durch die Beachtung der Regeln der Selbstorganisation gedeihen können. Kollektivierung im marxistischen Sinn bedeutete aber immer Planung, immer „Machtausübung“ einer Partei, immer das Diktat der „Wissenden“. Diktat ist aber das Gegenkonzept zur Selbstorganisation! Es ist zum Scheitern verurteilt, wie gut meinend und moralisch integer die Lenkenden auch immer sein mögen.
Was ich aber schon möchte, ist den „kleinen Unterschied“ zwischen Eigentum und Besitz wieder in den Mittelpunkt rücken. Eigentum ist ja der „uneingeschränkteste“ Machtanspruch über irgendein Ding (wir wollen erst gar nicht über die Frage des Eigentums an Menschen und Tieren rühren, die ja ihre eigenen moralischen Probleme in sich birgt!).
Zunächst einmal möchte ich nun doch ein wenig in die Weltbild-Trickkiste greifen. Ein wesentliches Merkmal des mechanistischen Weltbildes ist die starke Verknüpfung des (freien) Individuums mit seinem Eigentum. Es ist aber auch ganz einfach einzusehen: Wenn dem Menschen jede metaphysische Sinngebung entzogen wird, wenn er nur mehr ein Produkt von Zufall und Notwendigkeit ist (wie es Jacques Monod so treffend charakterisiert), dann ist der Mensch auch nur mehr durch sein Verhältnis zu den anderen Individuen und Dingen der Realität bestimmt. Sein „Sinn“ ist dann durch seinen individuellen Platz in der Realität, seine Stelle im „Machtgefüge“ und eben durch seine Macht über Dinge, sein Eigentum, gegeben.
So sehr diese Erhöhung des Eigentums als sinnstiftendes Institut in einem mechanistischen Weltbild verständlich ist, so witzig mutet es an, dass auch die Kirche noch im Zweiten Vatikanum davon spricht, dass Eigentum eine notwendige Vorbedingung für die individuelle Freiheit des Menschen ist. Na, wenn das der „Chef“ erfährt…
An dieser Stelle sollten wir uns über den Zusammenhang zwischen einem übermächtigen Eigentumsbegriff und Wachstum Gedanken machen. Wenn Eigentum für den Sinn des Individuums so wichtig ist, dann ist sein Schutz natürlich eine „lebenswichtige“ Aufgabe. Um das zu schützen, was man hat, muss man aber Herrschaft über „noch mehr“ erringen: Um die Weide zu schützen, muss man einen Zaun haben, um die eigenen Tiere vor den Unbillen der Natur zu schützen, braucht man einen Stall, um sich vor Missernten zu schützen braucht man Vorräte, um sich im Alter vor dem Verlust des Lebensstandards zu schützen, braucht man „wohl erworbene“ Rechte auf Pensionen, usw., usw., usw. Faktum ist: Nur mehr Eigentum kann Eigentum schützen. Wenn Eigentum also einen so entscheidenden Platz im Weltbild einnimmt und wenn darüber hinaus die eigene Individualität gegen alle „anderen“ und gegen die Natur geschützt werden muss, dann ist Wachstum vor programmiert! Wir sind hier einer Grund-Triebfeder unserer gesellschaftlicher Ordnung (und ihrer Fehlentwicklung!) auf den Grund gekommen. Wollen wir eine selbstorganisierende, sich immer stärker strukturell statt materiell entwickelnde Gesellschaft, so müssen wir uns überlegen, was wir mit dieser Triebfeder anfangen.
Im Gegensatz zum uneingeschränkten Machtanspruch des Eigentums ist der Besitz-Begriff stärker vom Konzept der Nutzung abgeleitet. Wenn man etwas besitzt, dann ist man im strengen Sinn dem „Eigentümer“ gegenüber verpflichtet und verantwortlich. Man ist zur optimalen Verwaltung des übertragenen Besitzes aufgerufen, der „Eigentümer“ erwartet, dass das Besitztum in ordentlichem Stand gehalten wird, ebenso wie er auch eine Gegenleistung für die Überlassung seines Gutes erwartet. Besitz ist daher keine uneingeschränkte Verfügungsgewalt, sondern viel stärker ein Nutzungsrecht auf irgendeine Sache, das auch die Verantwortung für diese Sache mit einschließt.
Interessant ist, dass unsere Vorfahren im Mittelalter, das ja wirtschaftlich weitgehend auf Grund und Boden aufgebaut war, diesen Unterschied nicht nur sehr genau kannten sondern gerade ihre wesentliche Wirtschaftsgrundlage nicht dem individuellen Eigentum überantworteten: Grund und Boden wurden als Lehen gegeben, zur Nutzung und Verwaltung. Dem Lehnsherren stand das Recht zu, dieses Lehn zu entziehen, aber auch einen Anteil des Ertrages zu erhalten.
Natürlich ist der Rückgriff auf mittelalterliche Rechtssysteme ebenso Humbug wie das wieder aufwärmen des Kommunismus. Es zeigt aber, dass Eigentum als einzige gesellschaftliche Norm nicht unbedingt nötig ist. Es zeigt erstaunlicherweise auch, dass Wirtschaftsformen, die dem individuellen Eigentum wenig Bedeutung zu messen, kaum wachsen. Die wesentliche Frage ist daher: Gelingt es uns, eine Gesellschaftsform zu finden, die selbstorganisierende, strukturelle Weiterentwicklung zulässt, für die Menschen Lebensqualität bereitstellt aber materielles Wachstum an die ökologischen Grenzen bindet.
Ich glaube so wie Du, dass dies möglich ist. Die Grundfesten einer solchen Gesellschaft sind ebenso schon lange bekannt und von Dir sowohl in der letzten zukunftspost als auch schon an anderen Stellen unserer Diskussion genannt worden. Sie sind:
* Grundsicherung des Individuums
* Rechtssicherheit bei der Verwaltung des individuellen Besitzes
* Besteuerung von Grund- und Boden
* Besteuerung von Ressourcen
Ich möchte diese Punkte einzeln ansprechen, schon um für unsere weitere Diskussion eine Grundlage zu legen.
Die Grundsicherung des Individuums ist die wesentliche Basis einer solchen Gesellschaft. Nur wenn es uns gelingt, den Menschen ihre Existenzangst zu nehmen, können wir den todbringenden und ineffizienten Wachstums-Kreislauf des Strebens nach immer mehr Eigentum um das bestehende Eigentum (und damit die individuelle Existenz) zu schützen, durchbrechen. Diese Grundsicherung sollte jedem Menschen das Überleben garantieren. Es sollte aus einer starken Gesundheitsvorsorge, einer ausreichenden Krankenversorgung, einer hervorragenden Bildung, dem uneingeschränkten Zugang zu Kultur, Wissen und zu Möglichkeiten, die eigenen Fähigkeiten zu schärfen und einzusetzen und einer wirtschaftlichen Transferleistung bestehen. Der oberflächlich interessanteste Teil ist dabei sicher die Kalibrierung der wirtschaftlichen Transferleistung. Sie sollte so groß sein, dass ein Einzelner in Würde leben kann, vor allem sollte sie aber zur Vergesellschaftung der Menschen anregen. Dies könnte etwa dadurch geschehen, dass Gemeinschaftskonten progressiv mehr erhalten: Eine vierköpfige Familie, ebenso wie eine vierköpfige Wohngemeinschaft von Studenten erhält dann eben nicht viermal die Grundsicherung, sondern auf ein Gemeinschaftskonto fünf mal den Betrag. Das wesentliche: Diese Transferleistung ist die einzige finanzielle Sozialleistung des Staates an seine Bürger (abgesehen von speziellen Förderungen für besondere Bedürfnisse). Sie steht jedem Menschen gleich zu.
Wichtiger für die Gesellschaft in strategischer Hinsicht sind aber die anderen Maßnahmen, nämlich eine hervorragende Bildung und der Zugang zu Wissen und individueller Entfaltung. Hier hilft uns einerseits das Internet, das den Wissenszugang schon weitgehend demokratisiert hat. Zusätzlich müssen wir aber unsere Bildungseinrichtungen „auf den Kopf“ stellen und endlich wirklich lebenslange Bildung (und nicht kurzfristige Berufsertüchtigung) anbieten, ebenso wie effiziente Möglichkeiten, gute Ideen weiterzuentwickeln und zu realisieren. Diesem weiten Feld werden wir sicher noch die eine oder anderer zukunftspost widmen müssen!
Die individuelle Grundsicherung kann aber nur ein Teil sein. Ein wesentlicher anderer Eckpfeiler einer selbstorganisierenden Gesellschaft muss die Rechtssicherheit bei der Nutzung des Besitzes sein. Du siehst schon, hier steht nichts vom Eigentum! Es geht vielmehr darum, die Fehler des mittelalterlichen Feudalsystems und des Kommunismus zu umgehen. Besitz soll gesellschaftlich geschützt werden, solange er
a) genutzt wird und
b) diese Nutzung innerhalb der Regeln zur Erhaltung der Grundsubstanz erfolgt.
Es geht hier also nicht um Enteignung oder um feudale Willkür. Es geht vielmehr um die Verhinderung von ineffizienter Spekulation einerseits und Raubbau andererseits. Besitz verpflichtet. Besitz soll aber auch weiterhin die Möglichkeit zur Entfaltung der wirtschaftlichen Kreativität bieten. Daher soll dem Besitzer im Rahmen dieser beiden Bedingungen möglichst breiter Raum zum optimalen Einsatz seines Besitzes geboten werden.
Mit der Besteuerung von Grund- und Boden kann hier eine wichtige „Umverteilung“ des natürlichen Einkommens erreicht werden. Nach dem Sonnenenergie ja das einzige „materielle“ Einkommen der natur auf unserem Planeten ist, muss dieses kollektive Einkommen (das ja jedem Menschen als „unverbrüchliches Geburtsrecht“ zusteht!) entsprechend an die Gesellschaft verteilt werden. Wer den wesentlichen Produktionsfaktor zur Nutzung dieses Einkommens verwaltet, muss daher diese Abgabe an die Gemeinschaft leisten.
Natürlich ist diese Steuer nicht einfach eine „Hektarsteuer“. Sie muss die Produktivität des Landes, aber auch Investitionen in „besseren Ertrag in der Zukunft“ (etwa Humusaufbau und ähnliches) in Rechnung stellen, ebenso wie Bodendegradation durch Versiegelung oder Monokultur. Ziel sollte es sein, die Grundsicherung für alle aus dieser Quelle weitgehend zu decken und damit der Grundidee des gemeinschaftlichen Verwaltens des natürlichen Einkommens zu entsprechen.
Automatisch würde hier auch ein Eingriff gegen Spekulation und Versiegelungs-Raubbau möglich: jeder, der seinen Besitz nicht nutzt, muss diese Abgabe trotzdem leisten. Jeder der Boden versiegelt, müsste den Verlust der Funktionalität des Bodens zusätzlich zur Bodensteuer leisten. Damit wird sowohl Spekulation als auch Versiegelungs- und Bauwahn teuer.
Schließlich ist eine Besteuerung von Ressourcen unumgänglich, sie muss insbesondere für die Infrastruktur in materieller Hinsicht (Straßen, öffentliche Gebäude, etc.) und immaterieller Hinsicht (Bildung, Gesundheit, Sicherheit, etc.) sorgen. Damit löst sie die Besteuerung von Arbeit als Grundlage der Finanzgebahrung der Gesellschaft ab.
Ressourcen sind direkt mit unserer Entnahme aus der Natur (und auch unserer Belastung der Natur durch den Abfall am Ende jeden Produkt-Lebenszyklus) verbunden. Wenn wir davon ausgehen, dass jede Ressource „Eigentum“ von allen Menschen (auch den noch nicht geborenen!) ist, so muss derjenige, der sie „in Besitz nimmt“ diesem „Eigentümer“ eine entsprechende Gegenleistung bringen. Hier ist ein breiter Spielraum für die „Ökologisierung“ des Steuersystems. Dies ist ja nicht einfach dadurch zu erreichen, dass wir ein paar Cent mehr für Sprit zahlen. Vielmehr muss es darum gehen, Ressourcen auf der Basis ihrer Belastung für die Umwelt und ihrer zukünftigen Verfügbarkeit zu bewerten und zu besteuern. Damit soll die Stoffflusswirtschaft unsere Gesellschaft endlich auf nachhaltige Fundamente gestellt werden. Auch hier werden wir wohl die eine oder andere zukunftspost noch schreiben müssen!
Führt dies alles schon zu einer nachhaltigen, selbstorganisierenden Gesellschaft? Nein, sicher nicht! Es sind aber ganz wesentliche Elemente einer solchen Zukunftsgesellschaft, die daneben natürlich auch noch ein neues politisches Ordnungssystem und ein neues Bildungssystem braucht, alles Gegenstände für unsere weitere Diskussion. Ich glaube aber schon, dass eine Umgestaltung des Steuersystems auch unser Gesellschaftssystem wesentlich beeinflussen wird (und im Gegenzug dazu nur möglich wird, wenn diese Umgestaltung Ziel der Bürgerinnen und Bürger wird!).
Tatsächlich glaube ich, dass diese Umgestaltung bereits sehr bald beginnen wird. Die Finanzkrise wird uns in dankenswerter Weise der Notwendigkeit entheben, die 95 % Spekulationsvermögen zu reduzieren. Die Frage nach neuen Einnahmequellen wird zwangsläufig auf die Besteuerung von „Eigentum“ gehen und es damit langsam zu „Besitz“ machen, mit allen Konsequenzen. Die Frage nach dem ewigen Wachstum wird sich in Europa ebenso „von selbst“ erledigen. Damit stellt sich also am Ende dieser zukunftspost weniger die Frage, wie wir zu einer solchen nachhaltigen Wirtschaft kommen, sondern wieder einmal wie wir uns in einer solchen am besten organisieren können, um sie zu einer lebenswerten Gesellschaft zu machen.

Soweit für dieses Mal aus meinem wunderschönen Perlsdorf, wo die Welt noch (und schon wieder!) in Ordnung ist.

Dein Michael

Freitag, 7. Mai 2010

Entwicklung in Europa; von der Demokratie zur Diktatur der Angst ?

Zukunftspost: 29.04.2010
Entwicklung in Europa; von der Demokratie zur Diktatur der Angst ?
Lieber Michael,
Du schriebst in Deiner letzten Zukunftspost sehr treffend das „Gegen etwas sein“, das „Alles kontrollieren“ ist Programm. Eine Analyse der Medien scheint Dir recht zu geben. Angst und Schrecken scheinen die Rolle des gesellschaftlichen Antriebs zunehmend zu beherrschen. Die bewussten Schritte in eine humane Zukunft scheinen zu verhallen und das „mutig in die neuen Zeiten“ scheint abhanden gekommen zu sein. Ein neues Wertesystem lässt noch auf sich warten. Von einem solchen trennen uns noch immer nationale Egoismen. Es scheint als ob die sozialen Errungenschaften der Gesellschaft einer den Besitzstand wahrenden Währungsstabilität geopfert würde. Dabei zeigt sich, dass der neue Besitzstand auf Angst und Kontrolle fußt und nur eine solche Phase die im globalen Neoliberalismus zu rasch geernteten Früchte schützen könnte.
Evolutionär scheint als ob eine sich stetig verbessernde Strategie der Natur, die wichtigsten Errungenschaften in ressourcenoptimierten Zellen zu schützen und die Internalisierung der Subsistenz im zunehmend robuster werdenden Lebensprozess voranzutreiben, für Gesellschaften aus der Mode gekommen kein gangbarer Weg mehr wäre. Eine gelebte, optimierte Ressourcennutzung als Treiber von nachhaltiger Natur und Evolution wird nicht mehr als eine Wertebasis von Gesellschaften gesehen sondern dem diametral entgegengesetzt wird schnelles Wachstum, Maximierung von Reichtum und vermeintlich daraus beziehbares Glück zum Ziel der Gesellschaft gesetzt. Dieses Ziel versucht man zunehmend mit Kontrolle, Angst und Schrecken, Strafen und Bußen sowie Verdummung seitens des Machtmonopols zu verteidigen.
Diese Phase scheint mir fast das letzte Aufgebot einer Entwicklung zu sein, die sich dem ewigen Wachstum verschrieben hat und sich vehement gegen die Gesetzmäßigkeiten der Natur auflehnt und damit einen allzu frühen Abend der Gesellschaften, ihrer Kulturen und der Zivilisation in Kauf nimmt um dem nächsten zwangsläufigen Schritt der Evolution, nämlich einer Gesellschaft von neuen vernunftgeprägten Menschen ohne weiteres Wachstum von physischem Wohlstand, zu entgehen.
Ich glaube, dass allmählich eine Zeit kommt, wo sämtliche Gesellschaften in zeitlicher Nähe ihre Werte überprüfen müssen. Stand da nicht etwas dazu auf den Wahlplakaten der österreichischen Bundespräsidentenwahl?
Dabei scheint der Wandel nicht so schwierig. Möglicherweise müssten wir unsere suboptimale heutige Verfasstheit der Parteienlandschaft überarbeiten und die Verortung der Bürger in einer regionalen Struktur als Lebensraum stärker fördern. Es müsste doch möglich sein den Bürger wieder in eine Heimat einzugliedern und ihn politisch zu verorten ohne ihn zwanghaft an eine Heimat volkstümelnd zu binden. Hier scheinen mir die Verwaltungen unserer Länder in viel zu geringer Weise den Bürgern zu dienen. Man hat immer wieder das Gefühl, dass gesetzliche Rahmen und ihre Administration nicht im Dienste der Bürger stehen sondern immer noch versucht wird die daraus entstehende Sklaverei als Resultat gesetzlicher Zwänge darzustellen.
Dabei müsste der Rang der einzelnen Zelle in der demokratischen Struktur eher erkannt und gefestigt werden während Länder, Bünde und Europa auf der Basis der Subsidiarität ihre Tätigkeiten definieren sollten und über die Gerichtsbarkeiten kontrollieren müssten.
Diese Subsidiarität, im Maastricht-Vertrag für Europa allgemein vorgesehen, wurde von Brüssel (der EU) vergessen und dafür noch ein Parlament weit weg vom Bürger eingerichtet und damit zur Planwirtschaft bzw. zum Scheitern verdammt.
Das wichtigste in einer neuen Gesellschaft wäre eine einzige progressive Ressourcenbesteuerung (realer Bodenwert + realer jährlicher Erlös) mit einem eventuell verpachtbaren Freibetrag am unteren Ende der Skala und einem bedingungslosen Grundeinkommen für jeden Bürger (von der Wiege bis zur Bahre) in der Höhe von z.B. etwa 200-400 € inklusive einer einfachen Krankenversicherung. Dies würde sowohl Krankenversicherungen und Pensions- bzw. Rentenkassen und deren Verwaltungen erübrigen und trotzdem zu einem Sozialstaat führen. Bürger könnten sich durch freie Vergesellschaftung wie auch durch Wirtschaftsleistungen am freien Arbeitsmarkt beteiligen. Über Sinn und Zweck von kapitalistischen bzw. sozialistischen Ideologien könnte man dann vielleicht in Ruhe nachdenken. Die Kommunikation sowie andere humane und soziale Tätigkeiten würden wieder im Zentrum solcher Gesellschaften stehen. Die einzelnen Nationalstaaten wären durch ausgewogene monetäre Gebarungen (ohne Überschüsse oder Defizite) und perfektionierte internalisierte Kreislaufwirtschaft auf der Basis des Verursacherprinzips gekennzeichnet. Natürlich würde dem Parlament die schwierige Aufgabe anheimfallen für die Bürger zumutbare Übergangsbestimmungen und einen praktikablen Lösungskorridor zu finden.
Es scheint jedoch, dass erst mit ganz neuen Ansätzen in der Erziehung und im täglichen Handeln die negativen Beweggründe und Triebfedern in der Gesellschaft wie Gier, Hass, Neid sowie Hunger, Sklaverei und Ungerechtigkeit in den Köpfen der Bürger durch soziales Denken und Fühlen ersetzt werden können.
Der Trick mit dem dies möglich werden könnte ist ähnlich wie der Trick der EU nationalistisches und nationalsozialistisches Gedankengut durch die europäische Vereinigung ins Abseits zu drängen. Zellen geeigneter Struktur und Größe so zu fördern, dass eine Optimierung der Nachhaltigkeit über die Ressourcenökonomie der einzelnen Zellen erfolgen kann und nicht weiter durch eine erratische Steuerung geprägt vom „Teilen und Herrschen“ wie in den heutigen Staatsgebilden bei einem Maximum an Steuern aus beliebiger Arbeit für jeden ohne Rücksicht auf die dabei zunehmenden irreversiblen Strukturverluste. Diese beliebige Arbeit wird heute in den einzelnen Zellen (u.a. auch den Familien) auf Kosten des Menschen und seines Wohlbefindens überall erzwungen (Siehe Hartz IV).
Daran scheint mir auch das Alleinstellungsmerkmal für einen Weg in eine lebenswerte Zukunft geknüpft zu sein, die ursprüngliche von Beliebigkeiten geprägte Vermehrungsstrategie ohne Rücksicht auf Verluste zu einer durch Kreislaufführung gekennzeichnete Überlebensstrategie zu gestalten und ein neues Habitat für den neuen Menschen in einer besseren Zukunft mittels weitgehend geschlossener Zellstrukturen zu schaffen.
Ich weiß ich bin ein Träumer, aber ich glaube fest an diese Träume. Trotzdem sehe ich bei mehrmaligem Durchlesen Deiner letzten Zukunftspost zunehmende Konvergenz zu dem was Du schriebst.
Lieber Michael verzeihe mir dass mein Beitrag viel Zeit benötigte und diesmal etwas kürzer geworden ist. Ich hoffe er entspricht trotzdem unseren Zielen und unserer Absicht. Recht liebe Grüße an Deine Familie. Dein Willy













Freitag, 19. Februar 2010

Demokratie (o)der Selbstorganisation

Lieber Willy,

vielen Dank für Deine letzte zukunftspost, und wie immer, bitte um Vergebung für meine späte Antwort. Ich bin sehr glücklich darüber, dass Du meinen neuen Aufschlag so gut angenommen hast und Dich gleich mitten in die Diskussion über die gesellschaftlichen Auswirkungen unserer bisher besprochenen naturwissenschaftlichen Ansichten gemacht hast. Wie es Deine Art ist, hast Du gleich eine „konzentrierte Ladung“ neuer Ideen und Ansätze geliefert, die ich, wie es meine Art ist, langsam „auseinander dröseln“ möchte!
Zuerst einmal wende ich mich der politischen Dimension des Wandels zu, und hier kommen wir gleich zu einer ganz ketzerischen Frage: Passen Demokratie und Selbstorganisation zusammen? Müssen wir nicht eigentlich eine Art „Öko-Absolutismus“ einführen, so nach dem Motto: „Die Macht geht von der Natur aus und sie wird an aufgeklärte Ökodiktatoren gegeben, die das Wohl der Menschheit und ihrer Umwelt weise verwalten“?
In meiner letzten zukunftspost habe ich die Auffassung vertreten, dass wir aus der Beobachtung dessen was ist zwar nicht auf die Zukunft schließen können, aber wohl einen Leitfaden entwickeln können, wie man Zukunft „macht“. Gerade im Bereich unseres politischen Systems (und hier beziehe ich mich auf Österreich im Besonderen und Europa im Allgemeinen) kann man das sehr schön vorexerzieren. Dabei braucht man aber einen ziemlich guten Magen, denn das „Hinsehen auf Politik“ kann (zumindest hier in Österreich) denselben verrenken und durchaus die eigene Gesundheit gefährden.
Das Bild ist schnell gezeichnet: Wir bewegen uns rasend schnell von einer „diskursgetriebenen Demokratie“ zu einer „angstgetriebenen Demokratur“. Gerade hat mein Sohn Benedikt ein sehr interessantes Buch über die politische Kommunikation der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ, für alle Nicht-Österreicher: die populistische Rechtsaußenpartei bei uns) geschrieben. Aus diesem Buch habe ich sehr viel gelernt, vor allem aber, dass Parteien nur dann erfolgreich sind, wenn sie auf der Gefühlsklaviatur spielen und insbesondere die „Angstakkorde“ meisterhaft beherrschen. Parteiführer sind erfolgreich, wenn sie glaubhaft in den Lebenswelten der Wähler verankert sind, wenn sie Discos besuchen, fesch und attraktiv „rüberkommen“ und dem Wählervolk glaubhaft vermitteln können, dass sie nicht intelligenter sondern nur lauter als der Normalbürger sind. Das „Gegen etwas sein“, das „Alles Kontrollieren“ ist Programm. Lösungen werden keine erwartet, jede politische Handlung ist eine „Reform“, jede Reform tut weh, hilft „denen“ (also immer den anderen) und verschlechtert nur die Lebensqualität. Politisch zählt nur, „die anderen“ (Parteien, soziale Schichten oder gar „Ausländer“) zu bestrafen und aus dem Weg zu räumen. Kompromisse sind immer Niederlagen, die Wahrheit ein hinderliches Konzept und die Kommunikation mit dem Volk immer nur ein Monolog oder bestenfalls eine die laute Discomusik überbrüllendes Anbiedern an Potentielle Wähler. Das Ziel politischer Handlung ist die Verteidigung oder Erringung von „Macht“, die dann aber schlussendlich nichts macht.
Dieses Sittenbild der Politik ist natürlich sehr einfach zu erstellen, es verstellt aber den Blick auf die wirklich grundlegenden Defizite. Zuerst müssen wir uns fragen, was denn die Leitlinien der politisch Handelnden sind. Vor noch wenigen Jahren (vom 2. Weltkrieg bis vielleicht zu diesem magischen „68iger“ Jahr) hatten politische Parteien noch Ideologien: Aus dem Welt- und Menschenbild gespeiste, fest strukturierte Sichtweisen der wünschenswerten Zukunft und der dafür notwendigen gesellschaftlichen Strukturen, Handlungsweisen und Planungsgrundlagen. Wie Weltbilder im Allgemeinen waren diese Ideologien unverrückbar und nicht-hinterfragbar. Damit waren sie natürlich sehr praktisch im täglichen politischen Handeln, feste Leitlinien und Erklärungsmechanismen. Obwohl natürlich keine „Überzeugung“ des ideologisch anders gelagerten politischen Gegners erzielt werden konnte (Weltbilder kann man ja nicht „wegdiskutieren“!), so bildeten Ideologien aber zumindest eine solide Basis für Kompromisse. Zumindest so lange als die Lösungen nicht einer der Ideologien der beteiligten Parteien komplett widersprach.
In dieser Zeit waren die politischen Systeme entweder von einer Ideologie dominiert (etwa dem „Realen Sozialismus“) oder bipolar, so dass sich fast immer ein Kompromiss, der beiden dominanten Ideologien nicht vollständig entgegenlief, finden ließ. Darüber hinaus waren die dominanten Ideologien (die sozialistisch/kommunistische und die bürgerlich/kapitalistische) Kinder desselben „Ur-Weltbildes“, des mechanistischen Weltbildes des 19. und 20. Jahrhunderts. Das ist insofern interessant, als die Grundzüge des Begriffs „Fortschritt“ (also die Basis dessen, was wünschenswerte Zukunft bedeutet) in beiden Ideologien weitgehend auswechselbar waren (nicht jedoch die Antwort auf die Frage, wie die Früchte dieses Fortschritts verteilt werden sollten).
Die Grundelemente politischer Systeme waren einerseits streng hierarchische Verwaltungen, weitgehende stratifizierte Gesellschaften (kannst Du Dich noch an diese eindeutige Zuordnung Arbeiter = Sozialist, Bauer = Konservativer erinnern? Lang, lang ist’s her…) und die Stabilisierung der Gesellschaft durch unbegrenztes wirtschaftliches Wachstum. Für die (geschichtlich kurze) Zeit eines Vierteljahrhunderts hat uns das mechanistische Weltbild und seine ideologiegetriebene Politik in Europa Ruhe, Frieden und Wohlstand beschert, es hatte ja auch einiges gut zu machen!
Mit der Erkenntnis der Begrenzung der Welt bei gleichzeitiger Globalisierung des Handels, der Ideen und Informationen wurde dieses politische Modell zunehmend obsolet. Hier kann man trefflich streiten, warum das alles so gekommen ist. Meine Erklärung dafür ist einfach (und wir können sie ja vielleicht im nächsten Satz unseres Ping-Pong Spiels ein wenig näher unter die Lupe nehmen): Ein neues Weltbild dämmerte herauf, damit waren auch die Grundlagen der Ideologien unterhöhlt. Das habe ich aber schon ausführlich in meinem Buch dargestellt und möchte daher jetzt nicht näher darauf eingehen.
Wichtig ist vielmehr etwas anderes: Die Welt wurde zu kompliziert für eine bipolare, hierarchische Gesellschaftsordnung und für eine ideologiegetriebene Politik: Kompromisse zwischen zwei Auffassungen, noch dazu vor dem Hintergrund einer stetig wachsenden Wohlstandsbasis kann man relativ einfach erreichen. Schwierig wird es, wenn man mit den eigenen politischen Handlungen die Natur in ihrer ganzen Komplexität „miterwischt“ und wenn darüber hinaus auch Entscheidungen an ganz anderer Stelle unseres Planeten direkt auf uns Einfluss nehmen. Innerhalb kürzester Zeit zerbrach das monoideologische Regime des Realen Sozialismus und wir sind gerade Zeugen dessen, wie ihm sein feindlicher Weltbild-Bruder, das kapitalistische System vor lauter Gram allein auf der Ideologiebühne zurückgeblieben zu sein, über die Klippe der Geschichte nach springt.
Daher darf uns auch der derzeitige Zustand der Politik und ihrer handelnden Personen nicht wunder. Der festen Basis ihrer Ideologien beraubt und damit unfähig zum rationalen Diskurs über die wirklich entscheidenden Probleme gesellschaftlicher Entwicklung, tun sie nichts anderes als wir auch tun, wenn wir uns nicht mehr „auskennen“: Sie verlassen sich auf ihr „Gefühl“. Nun gibt es aber kein einigendes „Zukunftsgefühl“, ein Gefühl, dass den vakanten Stuhl der allgemeinen Fortschrittsdefinition einnehmen kann. Vielmehr gibt es Gefühle, die uns vor gewissen Richtungen der Entwicklung warnen: Die Ängste! Und damit gibt es derzeit einen Ersatz für Ideologien, den ich „Emologien“ nennen möchte: Einen Satz von Emotionen und vor allem Ängsten, der auf dem politischen Parkett zur Aushandlung verwendet wird. Ebenso wie Ideologien sind auch Emologien nicht hinterfragbar und sie werden zur politischen Identitätsstiftung eingesetzt. Der politische Diskurs wird also vordergründig um diese Emotionen geführt und hintergründig durch weitgehende Orientierungslosigkeit gelähmt. Unsere politischen Systeme sind wie das Kaninchen vor der Schlange: Gelähmt durch Angst, ohne wirklichen Plan zum Überleben und zu feige, die Entscheidung für die Zukunft zu übernehmen.
Erneut könnten wir hier in die Falle gehen und diesen Zustand, seine Auswirkungen und mögliche Auswege aus dieser „Krise des Politischen“ diskutieren. Wie gesagt, der Zustand ist zwar nicht schön, aber es ist nur ein Übergangsstadium (und dauert hoffentlich nicht zu lange). Wir sollten uns daher eher damit beschäftigen, was denn diese profunde Orientierungslosigkeit ausgelöst hat und wie wir „das Übel bei der Wurzel“ packen können.
Hier hilft uns Deine letzte zukunftspost: Eine wesentliche Wurzel liegt in der Notwendigkeit räumliche und zeitliche Systemgrenzen neu zu definieren. Regieren hat immer schon eine sehr stark räumliche Komponente gehabt. „Souveränität“ als ein wesentliches Zeichen für den Wirkungsbereich von Macht war im politischen Kontext immer an Raum, an Gebiet gebunden. Innerhalb des Gebietes, das man souverän beherrschte, konnten Entscheidungen durchgesetzt werden. Das souveräne Gebiet des Staates war „unverletzlich“, also keinen direktem Zugriff einer anderen Macht unterworfen. Aus dieser Auffassung von Machtausübung kommen unsere Staatsgrenzen, unsere Verwaltungsbezirke, unsere Gemeinden, ja jede politische Arena, auf der wir spielen! Raum und Politik sind untrennbare Zwillinge!
Die starren hierarchischen Gebietskulissen, die wir mit dieser Art des politischen „Raum-Macht-Kontinuum“ geschaffen haben, sind völlig ungeeignet die heute wesentlichen Probleme zu lösen. Damit werden aber auch gleichzeitig die politischen Instanzen in diesen „Alt-Herrschaften“, ob es nun Staaten, föderale Länder, politische Bezirke oder andere Verwaltungseinheiten sind, desavouiert. Hier hilft auch kein „Mehr an Demokratie“, keine direkte Demokratie und auch keine neuen Parteien: Der Raumzuschnitt ist einfach falsch, die Identifikation der Bürger mit diesen Einheiten ist weg und damit auch ihre Lösungskapazität.
Dieses Aufbrechen des politischen Raumes kommt aus zwei Quellen. Einerseits werden die alten Identifikationsgründe ausgehöhlt. Die Menschen werden mobiler, die historische Bindung an einen Ort wird schwächer, ebenso wie die sozialen Bande in einer sich radikal ändernden Gesellschaft. So sehr sich unsere Emologen auch winden und sträuben, die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe oder einer Religionsgruppe reicht heute als Identifikationsgrund mit einem Raum nicht mehr aus. Es gibt keinen Weg zurück zu einer agrarischen Gesellschaft mit strikter Raumbindung durch Geburt, Gesellschaft und Tradition!
Auf der anderen Seite haben die „Alt-Herrschaften“ oft wenig Relevanz für die heute wesentlichen Wechselbeziehungen zwischen Gesellschaft und Natur. Mit der Ausnahme von Inselstaaten sind die meisten derartigen Gebiete aus gesellschaftlichen Entwicklungen, aus politischem Kalkül oder aus verwaltungstechnischen Notwendigkeiten (denke etwa an die Regel, dass ein Gerichtsbezirk in Österreich an die Notwendigkeit, das Gericht in wenigen Stunden zu Fuß zu erreichen, gebunden war!) heraus geboren. Die Natur, ihre Ressourcen und ihre lebenserhaltenden Prozesse haben keine Rolle in der Grenzziehung gespielt. Für eine moderne Gesellschaft, die langsam aus dem fossilen Loch an das natürliche Sonnenlicht als Triebfeder der Wirtschaft kriecht, sind diese politischen Raumstrukturen einfach altmodisch und irrelevant.
Zusätzlich dazu kommt noch ein weiterer Effekt der Selbstorganisation: Die „Organismierung“. Auch wieder so ein Kunstwort von mir, aber ganz einfach zu verstehen. Selbstorganisation führt ja nicht nur dazu, dass sich Individuen in ökologischen Nischen optimal organisieren. Auf der Ebene der menschlichen Gesellschaft ist das etwa durch die (globale) Arbeitsteilung schon sehr weit fortgeschritten. Selbstorganisation führt insbesondere auch auf vollkommen neue Vergesellschaftungen, auf komplexe Organismen. Meine These ist nun, dass wir als Menschliche Gesellschaft gerade einen Prozess der „Organismuswerdung“, eben der „Organismierung“ durchmachen.
Sehen wir uns einen Organismus an. Natürlich gibt es da Arbeitsteilung: Die Organe im menschlichen Körper sind dafür ja hervorragende Beispiele. Wir haben aber auch eine Durchdringung der einzelnen Systeme in räumlicher Hinsicht. Denke etwa an ein Blutgefäß in der Leber: Räumlich gehört es zur Leber, es gehört aber gleichzeitig auch zum Gefäßsystem. Damit bricht in Organismen die strenge Ausschließlichkeit der (räumlichen) Zuordnung, es bricht die räumliche „Souveränität“. Unsere Ader in der Leber muss zwei Herren dienen, der Leber und den Blutgefäßen, sie muss auch zwischen diesen beiden Herren vermitteln, sie schließt die Leber an den „internationalen“ Körper an.
Dieses Bild ist sicher sehr vereinfachend und soll ja auch nicht mehr sein als eben ein Bild. Was aber wichtig ist dabei ist der Bruch in der Hierarchie des Raumes, der durch die Komplexität von Organismen, die durch Selbstorganisation entstanden sind, erfolgt. Wir sind eben nicht Bürger EINER Region, wir leben in vielen Regionen gleichzeitig. Diese Regionen sind auch nicht hierarchisch gegliedert, sie schließen sich nicht aus auf derselben Ebene. Sie überlappen sich, durchdringen sich. Was aber das wesentliche daran ist: Die Regionen, in denen wir leben und handeln, sind funktional definiert, so wie eben die Leber eine Funktion hat und auch das Blutgefäßsystem.
Und hier sind wir an einem ganz wesentlichen Defizit der bestehenden politischen Systeme: Ihr Raumzuschnitt beachtet diese verschiedenen Funktionen überhaupt nicht! Auf dieser Basis kann sich keine selbstorganisierende Gesellschaft entwickeln!
Für jede zukünftige Ordnung des politischen „Raum-Macht-Kontinuum“ muss daher gelten: „form follows function“, die räumlichen Zuschnitte, in denen Entscheidungen getroffen werden, müssen auf die Funktionen abgestimmt sein. Was eine gute Region für die Verwaltung erneuerbarer Ressourcen ist, muss noch lange keine gute Region zur Organisation der Bildung sein. Was eine gute Region zur Verwaltung des gesellschaftlichen Einflusses auf den lebenserhaltenden Wasserkreislauf ist hat nichts mit der optimalen Region zur Organisation des Rechtswesens zu tun. Damit wird Dein in der letzten zukunftspost beschworenes „selbstorganisiertes Europa“ und ein „Europa der Regionen“ fast synonym, wenn auch in der heutigen politischen Auffassung die Regionen noch hierarchisch und mittelalterlich pfründeorientiert gesehen wird.
Wenn wir weiter die Demokratie als die „politische Leitkultur der Selbstorganisation“ sehen (und davon bin ich überzeugt!) stellen sich natürlich gleich eine Reihe sehr interessanter demokratiepolitischer Fragen. Ich werde die heute nicht wirklich beantworten, Dir wohl aber einen „geschnittenen Ball“ auf den Tisch spielen, und ein wenig provozieren.
Zuerst einmal möchte ich unserer Diskussion einen Rahmen geben: Demokratische Systeme die nach dem Repräsentationsprinzip (also der Entsendung von politisch Handelnden durch ein Volk) basieren, können über drei Parameter beschrieben werden:
• Wer entsendet?
• Wie wird entsandt?
• Wie verhandeln die Repräsentanten miteinander?
Beginnen wir mit dem ersten Punkt. In einem auf funktional definierten Raumzuschnitten basierenden politischen System muss vom Prinzip der allgemeinen Vertretung abgegangen werden. Nicht mehr jeder darf über alles bestimmen. Es wäre ja auch im Organismus nicht besonders hilfreich, wenn die Leberzellen darüber abstimmen, dass das Blut ab jetzt blau zu sein hat!
Vielmehr muss Demokratie als ein „Angebot der Mitbestimmung an Betroffene“ gesehen werden. Das bedeutet, dass jene, die an einer bestimmten Funktionalität interessiert sind, mitbestimmen sollen. Hier kommt der große Bruch mit den derzeitigen Systemen: Das geht nur, wenn man zwei Prinzipien beachtet: Freiwilligkeit und Offenheit.
Freiwilligkeit bedeutet, dass (im Gegensatz zu heutigen Demokratiesystemen) das „Volk“ nicht verfassungsmäßig allein durch seinen Wohnort oder seine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe (etwa wie in Österreich im Falle der vielen sozialpartnerschaftlichen Kammern) definiert wird, sondern durch aktive Anteilnahme an der Mitbestimmung. In diesem Fall wird also nicht nur der Vorgang der Entscheidungsfindung der Selbstorganisation unterworfen, sondern auch gleich der Aufbau der Entscheidungsstrukturen!
Freiwilligkeit erfordert Identifikation. Nur wer sich mit etwas identifiziert, sich als „zugehörig“ erkennt, wird freiwillig an den Entscheidungen in einer Körperschaft beteiligen. Hier kommt der räumliche Zuschnitt zum Tragen. Der Raum ist für ein territoriales Wesen, wie es der Mensch nun einmal ist, eine der wichtigsten (wenn auch nicht die einzige) Identifikationsmarke. Daher auch das bereits oben beschriebene „Raum-Macht-Kontinuum“, das unsere Politik beherrscht. Das wird sich auch in einer selbstorganisierenden Gesellschaft nicht ändern. Wir sehen das heute bereits sehr stark bei Regionalentwicklungsprozessen: Die Identifikation ist der entscheidende Schritt zur Regionswerdung. Darüber sollten wir in einer der nächsten zukunftspost-Sendungen noch einmal im Detail diskutieren!
Freiwilligkeit muss aber durch das Prinzip der Offenheit abgestützt werden. Keine Person, die aktiv mitarbeiten will, darf ausgeschlossen werden. Damit soll verhindert werden, dass das Ganze zu einer Klüngelwirtschaft verkommt und nur jene, die etwas ganz Bestimmtes durchsetzen wollen die Macht übernehmen.
Im Ganzen ist das natürlich eine vollkommene Abkehr von der bisherigen Auffassung von Demokratie: Man hat zwar das verbriefte Recht, überall mitreden zu können, man erwirbt sein „aktives Wahlrecht“ aber eben durch Mitarbeit. Teilnahme am Entscheidungsprozess wird damit zu einer Bringschuld.
Das klingt zuerst einmal ziemlich revolutionär, ist es aber gar nicht. Schon heute basieren die meisten funktionierenden Regionen (also jene, in denen wirklich was weitergeht) auf diesem Prinzip. Ganz zu schweigen von jenen Bereichen, in denen Menschen tatsächlich Verantwortung übernehmen, etwa in all den vielen Vereinen, die das eigentliche Rückgrat unserer Gesellschaft (zumindest hier in Österreich) sind.
Nun kurz zum zweiten Punkt, wie denn die Repräsentanten bestimmt werden. Ich glaube, dass dieser Punkt nicht allgemein festgesetzt werden kann und soll. Der Wahlmodus muss, so wie auch die Festlegung der anderen Regeln der Entscheidungsfindung, den einzelnen Körperschaften überlassen werden. Funktionalität, aber auch kulturelle Aspekte haben hier wesentlichen Einfluss und werden zu einer Diversität in den Lösungsansätzen führen.
Wichtiger als die Frage des Auswahlmodus ist aber die Beachtung sind die Prinzipien des Vertrauens und der Verbindlichkeit. Wir sind ja gewohnt, im politischen Spiel immer über Verantwortung zu reden und dann lautstark die Verantwortungslosigkeit der politisch Handelnden zu beklagen. Wir vergessen dabei, dass dieses Prinzip grundsätzlich unerfüllbar bleiben muss. Keine gesellschaftliche Handlung kann von einer einzelnen Person „verantwortet“ werden, nicht der Tod eines Soldaten, der auf Grund eines politischen Entschlusses in den Krieg geschickt wurde, nicht die Krankheit vieler auf Grund der Umweltbelastung, die wir in unseren Gesetzen zulassen (oder auch nur nicht ahnden). Wer könnte dafür denn die Verantwortung übernehmen und was würde das für diese Person bedeuten? Also lassen wir den Verantwortungs-Zinnober getrost weg!
Eine selbstorganisierende Gesellschaft muss vielmehr auf dem Vertrauen und auf der daraus resultierenden Verbindlichkeit aufbauen. Vertrauen muss das soziale Kapital sein, das Repräsentanten für ihre Tätigkeit mitbringen. Dieses Vertrauen muss natürlich auch gepflegt werden, durch Transparenz und die Handlungsmaxime, MIT den Betroffenen (die ja das jeweilige „Volk“ ausmachen) und nicht ÜBER sie zu regieren.
Vertrauen muss aber nicht nur zwischen Repräsentanten und jenen, die sie entsenden herrschen. Es muss auch zwischen den Betroffenen selbst vorhanden sein. Nur dann kann Verbindlichkeit entstehen und nur dann kann gehandelt und entschieden werden.
Ich lasse diesen Gedanken einmal so als „Baustelle“ für unsere weitere Diskussion stehen. Nur soviel möchte ich noch dazu sagen: Es ist klar, dass wir eine solche selbstorganisierende Gesellschaft nicht verordnen können. Sie muss entstehen, sich eben selbst organisieren. Vertrauen und Verbindlichkeit sind Resultate eines Prozesses. Für beide gilt, dass örtliche Nähe ein wichtiger Katalysator ist. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass eine solche selbstorganisierende Gesellschaft „von unten“ aufgebaut werden muss.
Nun zum dritten und heikelsten Punkt: Wie sollen die Repräsentanten miteinander verhandeln? Hier müssen wir zuerst zwei unterschiedliche Diskurse definieren. Einerseits den Diskurs zwischen Regionen mit derselben Funktionalität (etwa zwei oder mehrere „Wasserregionen“ oder „Energieregionen“). Innerhalb ihrer Funktionalität werden Regionen wenig bis keine Überlappungen haben, hier wird auch nach wie vor eine hierarchische Ordnung vorherrschen. Dieser Diskurs wird daher nach dem Prinzip der Subsidiarität ablaufen, das wir ja bereits bisher in hierarchischen Politiksystemen haben (sollten!).
Viel interessanter ist aber die zweite Diskursform: Die zwischen unterschiedlich funktionalen Regionen über Entscheidungen im gleichen Raum. Also der Diskurs zwischen Ader und Leberzellen, wie es denn in ihrem gemeinsamen Umfeld weitergehen soll. Oder der Diskurs zwischen einer „Wasserregion“ und einer „Energieregion“ über die Zukunft eines bestimmten Feuchtgebietes.
Ich weiß hier keine Lösung im strengen politikwissenschaftlichen Sinn. Ich möchte aber auch hier ein bisschen provozieren: Ich glaube es gibt so etwas wie eine „invisible hand“ für selbstorganisierende Gesellschaften, nämlich raumgebundene Visionen. Diese Visionen werden in vielem die Rolle der Ideologien (oder eben der Emologien der derzeitigen Politik) übernehmen. Sie werden Richtschnur und Maßstab der Entwicklung sein.
Jene regionale Körperschaft, die die stärkste Vision generiert, wird auch die stärkste Identifikationskraft ausüben. Auch hier würde ich der Selbstorganisation ungern „dreinreden“; ich würde das von Fall zu Fall, von Region zu Region eben selbst entstehen lassen. Diese Körperschaft wird die Themenführerschaft in diesem Diskurs übernehmen.
Die Methodik des Diskurses wird sehr stark durch Szenarien geprägt werden. Jede Region, die an einem solchen Diskurs teilnimmt, wird Zukünfte (und die handlungen, diese zu erreichen) aus ihrem Blickwinkel einbringen. Der Vergleich an der „Leit-Vision“ schließlich wird zu einem umfassenden, gesamthaften Vorgehen „im Raum“ führen, der von allen getragen werden kann.

Lieber Willy, verzeih dass es diesmal ein wenig länger geworden ist. Ich habe natürlich, wie es meine Art ist, einen sehr breiten Pinsel verwendet für mein Bild. Viel ist noch auszufüllen, aber das wird ja Gegenstand unserer weiteren zukunftspost. Ich freue mich schon auf Deinen nächsten Beitrag!

Dein

Michael

Dienstag, 5. Januar 2010

Das selbstorganisierte Europa – ein Modell?

Lieber Michael,
Vielen Dank für Deinen letzten Beitrag. Deine Überlegungen waren für mich motivierend und notwendig da diese für mich die Motivation für die nächsten Schritte darstellten. Sie haben den Pfad über die Zeitenwende hinweg wieder sehr klar erkennbar gemacht. Eine neue Phase der Selbstorganisation, ausgelöst durch alle zu erwartenden Änderungen und Begrenzungen, ist mir erst wieder durch Deine Überlegungen in ihrer ganzen Tragweite für Umwelt und Gesellschaft als Gebot der Stunde bewusst geworden.
Also „mutig in die neuen Zeiten“. Als ersten Schritt dahin sehe ich eine Wiederbesinnung auf die Notwendigkeit von relevanten räumlichen und zeitlichen Systemgrenzen, d.h. Demarkationslinien in unserem Bewusstsein zu etablieren. Diese könnten es ermöglichen das elementare Kreislaufgefüge der menschlichen Subsistenz (der täglichen Notwendigkeiten) wieder überschaubar, beurteilbar und lokal rückkoppelbar zu gestalten. Meines Erachtens ist für die notwendige lokale Steuerung unserer unmittelbaren und zukünftigen Belange vorrangig die Kenntnis dieser physischen Grenzen vonnöten. Globale Überlegungen scheinen erst dann Sinn zu machen wenn durch eine Neugestaltung der lokalen Strukturen bzw. die Schließung der lokalen Stoffkreisläufe und verlustarmen Kopplung derselben eine Voraussetzung für eine neue übergeordnete Ebene bilden. Die Klimakonferenz in Kopenhagen hat mich in dieser Hinsicht bestärkt, da sie gezeigt hat, dass der sich stark verändernde Klimaprozess kaum durch das Drehen an nur einer Schraube unter Zuhilfenahme einer Theorie auf tönernen Füßen beherrschen lässt.
Wir sind uns wahrscheinlich einig, dass uns nur ein gewaltiger evolutionärer Schritt der Selbstorganisation an das rettende Ufer einer neuen Zeit bringen kann. Wie könnte man sich jedoch auf einen solchen Schritt vorbereiten? Ich sehe den ersten aktiven Schritt dazu in der Entrümpelung nicht mehr zeitgemäßer Strukturen und der Bekämpfung moderner Existenzängste auf lokaler Ebene. Es scheint, dass eine vom Bruttosozialprodukt und einer Arbeit wie sie heute politisch verstanden wird, abhängige soziale Grundsicherung in Zukunft kaum möglich ist. Sie scheint nur in einer rigide verwalteten und durch immanente Ineffizienz die Ressourcen vergeudenden Wachstumsgesellschaft möglich.
Nach den Erkenntnissen von Leopold Kohr „Das Ende der Großen“ scheint die Effizienz von „Wachstumsgesellschaften“ nach Erreichen eines kurzen Optimums durch weiteres Wachstum wieder abzusinken. Die Natur regelt dieses Wachstum über eine Rückkopplung an eine damit verbundene Umwelterschöpfung, zunehmende Instabilität und Tod. Die Gesellschaften haben es bis zum gewaltigen Flächenbrand der Weltkriege mit einer immensen Zerstörung von Umweltressourcen als Folge, durch kleinräumigere Kriege und einer Reduktion der Populationen geregelt. Umwelt und Gesellschaft wurden durch Rückkopplungen in Balance gehalten und der Prozess wurde wie vielfach angenommen durch schicksalhafte Entwicklungen oder mehr oder weniger gut gesinnter Götter gesteuert. Der Wandel der Kriege von einer populationsregelnden Maßnahme zu einer vorrangig ressourcenzerstörenden Tätigkeit wurde im vorigen Jahrhundert vollzogen. Die darauf folgende globale Ökonomie mit ihrem Neokolonialismus sowie die wild wuchernde globale Logistik haben zwar der Welt eine relativ lange und friedliche Periode aber auch durch zunehmende Öffnung der natürlichen Kreisläufe an die Grenzen ökologischer Tragfähigkeit gebracht. Entwertete Umweltressourcen in Form von zunehmender Verwüstung und schier irreparable Klimaprobleme bzw. Kühlproblemen waren die Folgen. Gleichzeitig degradierte in unseren pluralistischen Wissensgesellschaften aber die Fähigkeit die weltweit verteilten Prozesse in ihrer Kohärenz zu erkennen, zu beurteilen geschweige denn mit Hilfe der Wissenschaften und Politik zu steuern. Der Scherbenhaufen von Kopenhagen scheint die Folge einer Politik zu sein, Schulen, geistige Bildung und Fähigkeiten nur dann zu fördern, wenn sie einigen mächtigen Verbänden in der Gesellschaft als Alimentationsgrundlage dienlich scheinen.
Hier müsste nun der selbstorganisatorische Evolutionsschritt erfolgen und im „Homo sapiens“ das „Eroberungsgen“ durch ein „Überlebensgen“ ersetzen. Zugegeben ein schwieriges Unterfangen aber vom Ansatz her durchwegs denkbar. Insbesondere könnte dies wahrscheinlich werden, wenn man sich Gedanken machte eine Deckung des Geldwertes durch die Anhebung des Bodenwertes gemessen an seiner Steigerung der Nachhaltigkeit und Fruchtbarkeit zu erzielen . Eine Steigerung des regionalen Bodenwertes ist jedoch nur durch die Entwicklung einer perfektionierten lokalen Kreislaufwirtschaft durch Maximierung der Verdunstung machbar.
Eine solche nachhaltigkeitssteigernde Bewirtschaftung ist naturgegebener Weise als vorrangige Aufgabe des Flächenbewirtschafters zu verstehen. Wie wir wissen sind es heute im alten Europa schon fast weniger als 3% der Bevölkerung, die 80-90% der Landesflächen bewirtschaften und dies nach planwirtschaftlichen Ansätzen.
Wie Du siehst, versuche ich Deinen Ball und Dein Bekenntnis zur Selbstorganisation nicht nur aufzunehmen sondern auch eine Argumentationskette des warum wir was ganz anders machen müssten aufbaue. Ist es nicht unsere Sehnsucht, nach Beständigkeit, nach Zukunftsperspektiven, nach Bodenhaftung, nach Heimkehr und Frieden, die uns antreiben wieder eine verortete Heimat zu finden. Die gemachten Erfahrungen nach zwei Weltkriegen und einem Wirtschaftswunder mit der Besonderheit das Geld rascher und rascher durch die Gesellschaft zu pumpen, Neid, Gier und Egomanie in zunehmendem Maß zu fördern um den Ansprüchen der Gesellschaft nach Wachstum gerecht zu werden. Sind wir schon reif geworden unser Streben nach Innovation und sozialer Geborgenheit nicht im Götzen Arbeit und Geld sondern in alternativen Ansätzen einer neuen Vergesellschaftung auf der Basis Dienst an einer menschlichen Gesellschaft zu suchen?
Wäre es nicht möglich wieder den Menschen in einer neuen Renaissance ins regionale Zentrum unserer Gesellschaft und unserer Umwelt zu stellen anstatt sich politisch in polarisierende Parteien zu gruppieren? Sich damit so zu vergesellschaften, dass bis zur Erreichung einer maximalen Kohärenz und Lebensqualität durch Dienstleistungen eine weitere Vergesellschaftung zum gegenseitigen Nutzen erfolgt während sich darüber hinaus weitere soziale Zellen bilden, die als neues Ziel eine weitere Kreislaufschließung und damit Effizienzsteigerung im dynamischen System ergeben. Wäre es nicht vorstellbar, dass der Mensch durch seine Erfahrung mit seiner Umwelt soweit auch seine Intelligenz entwickelt, dass er die zeitlichen Nutzbarkeitsgrenzen seiner Umwelt erweiterte anstatt sie laufend durch beliebiges Handeln entgegen der Entwicklungsrichtung und dem Sinn der Natur die Tragfähigkeit einzuschränken?
Wäre es nicht möglich eine weitgehende Regelung der Gesellschaft durch offene Gesetzesrahmen ohne Universalitätsanspruch aber durch zunehmende Rückkopplungen durch Selbstbegrenzung selbstorganisatorisch mit einem Minimum an Verwaltungsaufwand und so nahe wie möglich am Ort des Geschehens zu erzielen?
Als wichtiges Beispiel würde der Schwerverkehr an die Verursachung der Straßenschäden über die 4te Potenz der Achslasten rückgekoppelt, die Marktpreise soweit beeinflussen, dass ein überregionaler Markt von Subsistenzprodukten (täglich notwendiger Waren für den Bürger) kaum in seiner heutigen Form möglich wäre. Auch eine dezentrale Produktion von Energie und die strikte Anwendung von Marktpreisen ohne Monopole und Subventionierung der Energie für die Industrie würde die Allokation der Prozesse und der Gesellschaft nachhaltigkeitsfördernd verändern (Produktrecycling anstatt Stoffrecycling, Verlängerung der Lebenszyklen für Waren, Kopplung der Subsistenz mit den Siedlungen).
Solche Fragen müssten vom Einfluss der Lobbys befreit und ins Zentrum des gesellschaftlichen Bewusstseins gerückt werden, eine demokratisch gestaltete und gestaltende permanente Kulturrevolution könnte diese neue Renaissance begleiten und versuchen die gesellschaftlichen Gruppen in diesen Prozess einzubinden und auf den lokalen und regionalen Ebenen zu integrieren. Das einzige Kriterium zur Beurteilung des demokratischen Prozesses wäre der Wirkungsgrad bzw. die ökologische Effizienz als richtungssichere Maßzahl für eine nachhaltige Entwicklung.
Die industriebasierte Exportwirtschaft wie auch die arbeitsbasierte Geld- und Bankenwirtschaft haben ihren Zenith bereits weit überschritten und treten spätestens seit dem vorigen Jahr in den historischen Hintergrund. Je mehr Anstrengungen unternommen werden diese bereits schwerkranken und von zunehmenden Infarkten geplagten Gesellschaftsmerkmale wiederzubeleben um so mehr geraten wir ins Hintertreffen mit unserer eigenen Entwicklung. Die vielfach vertretenen Thesen, die Innovation in der Umwelttechnik sowie ein „defizit spending“ in der heutigen Wissensgesellschaft wären ein Rettungsanker für unsere europäische Gesellschaft sind wahrscheinlich rückwärtsgewandt und gestalten unsere Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit eher zu einem Schrecken ohne Ende mit einem hohen Grad an Perspektivlosigkeit unserer Jugend zu Folge. Wenn sich Investitionen in die Zukunft lohnen sollen ist eine grundsätzliche Restaurierung unserer Gesellschaft nötig. Sie muss begleitet sein von völlig neuen Ansätzen in unserer Flächenbewirtschaftung und müsste vorrangig die Revitalisierung unserer Landschaften beinhalten.
Die entscheidende Frage, die ich mir stelle ist die Entkopplung von den selbst-organisatorischen Kräften und dem momentan verfallenden Geldwert. Die conditio sine qua non, das Geld, für gesellschaftliche Innovation und Erneuerung im herkömmlichen Sinn wird kaum zur Verfügung stehen noch ist es im benötigten Maß in einer heutigen Gesellschaft schöpfbar. Den Ausweg stellte einzig der zur Zeit noch immer stark unterbewertete Bodenwert und seine am Realwert neu zu bemessende Besteuerbarkeit dar, anstelle einer weiteren Besteuerung der Arbeit. Die Gewissheit, dass ein „business as usual „ kaum weiter machbar ist, sowie die Unverzichtbarkeit auf einen Sozialstaat ohne die Möglichkeit diesen nur mit ewigem Wachstum zu betreibende ökosoziale Marktwirtschaft fortzuschreiben, lassen wahrscheinlich nur mehr einen Lösungskorridor zu, nämlich umzusteuern und den aktuellen Bodenwert über eine einzige Ressourcensteuer progressiv zu besteuern. Zwei Säulen würden als soziale Sicherungskomponenten dienen. Ein entsprechender Bodenwertfreibetrag am unteren Ende der Bodenwertbesteuerung und eine allgemeine lebenslangen Grundrente mit einer steuerfinanzierten Basiskrankenversicherung in demokratisch zu bestimmender Höhe. Damit könnte eine völlige Deregulierung des Arbeitsmarktes erzielt werden. Der Entfall von staatlichen Rentenversicherungen und teuren Krankenversicherungen könnte die Gesellschaft entlasten. Solche Rahmenbedingungen könnten Märkte neu regeln und eine „tabula rasa „ als gedankliche Basis für neue Zielvorstellungen darstellen. Eine neue Lebensqualität, neue Vergesellschaftungsformen und neue gesellschaftliche Institutionen könnten für eine mehr kreisgeschlossene zellular organisierte Gesellschaft in Zukunft mit mehr basisdemokratischen Elementen darstellen ohne redundante Wahlen Parteien auf fünf bis sechs verschiedenen Ebenen.
Es ist zu hoffen oder zu befürchten, dass die Ängste in der Gesellschaft diesen heute sicherlich noch unerwünschten Restaurationsversuch der Gesellschaft bei Fortführung unserer noch immer polarisierenden, parteipolitischen Wunschvorstellungen eher beschleunigen als verhindern. Die Wissenschaft von der Entstehung von Neuem (emergence) in komplexen Systemen beginnt neue nichtlineare Prozesse an Phasengrenzflächen besser zu verstehen, die sich aus einfachen aber dynamischen Regeln ergeben. Das zunehmend bessere Verständnis der Selbstorganisation und die zunehmende Unzulänglichkeit des Bestehenden scheinen die Triebfedern für eine evolutionäre Selbstorganisation der neuen menschlichen Gesellschaft zu sein.
Ich freue mich schon wieder auf Deine Antwort und wünsche Dir und Deiner Familie nachträglich zum Jahreswechsel noch Gesundheit, Erfolg und Zufriedenheit.

Dein Willy